Eine kurze Geschichte der Entstehung des Pfadfindertums

Sir Robert Baden-Powell
Sir Robert Baden-Powell

Folgender Artikel wurde von Wiesi 2005 für das Handbuch zur Halstuchausbildung angehender Gruppenleiter*innen verfasst:

Wir schreiben das Jahr 1907. Genauer gesagt den 25. Juli 1907. Als eine Gruppe von zwanzig Jungen vom Hafen der englischen Stadt Poole auf die Insel Brownsea ruderte, um dort zwanzig Tage lang in einem Zeltlager zu verbringen.
Eigentlich nichts Besonderes, aber trotzdem sollte dieses Lager der Anfang einer neuen Jugendbewegung werden.

Auf diesem Lager sah es aber eigentlich nicht viel anders aus als in irgendeinem unserer Lager heute. Was war also so besonders daran?
Die Jungen wollten das, was sie in einem Handbuch der britischen Armee gelesen hatten, ausprobieren. Das Buch wurde von dem zu dieser Zeit geradezu legendären Generalleutnant Robert Baden-Powell geschrieben.

Er war am 22. Februar 1875 in London geboren worden. Sein Vater - Professor für Geometrie und Pfarrer - starb als er drei Jahre alt war und so sorgte seine Mutter von da an allein für die zehn Kinder.
Gemeinsam mit seinen Brüdern erlebt er unzählige Abenteuer. Sie wanderten durch England, fuhren die englischen Kanäle entlang und segelten sogar auf der Nordsee bis nach Norwegen. Auf ihren Reisen lebten sie von dem, was ihnen die Natur bot.
Sie schliefen draußen, orientierten sich nach der Sonne und den Sternen und fingen Fische.
Während seiner Zeit im Internat interessierte er sich mehr für den Wald hinter der Schule als für die Schule an sich. Dort lernte er die Natur kennen und lieben.

Deshalb war er wohl auch kein besonders guter Schüler und bewarb sich nach seinem eher mäßigen Abschluss an einer Offiziersschule. Überraschenderweise schnitt er bei der Aufnahmeprüfung als Zweitbester ab. Daraufhin konnte er sich die zweijährige Grundausbildung sparen und wurde direkt als Unterleutnant in einer Aufklärungseinheit nach Indien versetzt.

Soldat ist er wohl nicht geworden, weil er Spaß am Kriegshandwerk hatte, sondern viel mehr, weil er darin die beste Möglichkeit sah, die Welt kennen zu lernen.

Bei allen Kameraden war er recht beliebt, da er nicht viel vom militärischen Befehlston und Ausbildungsdrill hielt.
Vielmehr versuchte er seinen Leuten ihre Aufgaben spielerisch näher zu bringen und sie so zu lenken, dass sie durch eigene Erfahrungen lernen. Das Motto seiner Ausbildung nannte er “lernen durch tun” - “Learning by Doing”.
Daher übertrug die Armeeführung ihm, der die Wildnis wie seine eigene Westentasche kannte, die Ausbildung der Scouts. Scouts wurden nicht im direkten Kampf eingesetzt, sondern sollten die Lager der Gegner auskundschaften. Hierfür mussten sie lautlos schleichen, Spurenlesen und sich ohne Hilfsmittel in der Wildnis zurechtfinden und überleben können.

Aus diesem Grund schrieb er das Handbuch “Aids for Scouting” (Hilfe für Kundschafter), in dem er all sein Wissen über das Leben von und mit der Natur niederschrieb.
Als er 1901 nach Hause kam, war sein Buch ein wahres Kultbuch bei den englischen Jugendlichen geworden. Sie interessierten sich brennend für die Dinge, die darin beschrieben waren.
Doch der Autor war entsetzt, denn er hatte dieses Buch für die militärische Ausbildung von Soldaten und Offizieren geschrieben.
So beschloss er ein zweites Buch speziell für Jugendliche zu schreiben. Er nannte es “Scouting for Boys” (Pfadfinden).

Zuvor wollte er aber noch einige Erfahrungen mit der Jugendarbeit sammeln und so kommen wir auch wieder zu unseren zwanzig Jungen auf Brownsea Island, denn dieses Lager wurde von Baden-Powell ins Leben gerufen.
Er teilte die Jungen in vier Gruppen ein, die er Sippen nannte. Der Älteste der Gruppe wurde Sippenführer. Sie trugen eine einheitliche Tracht, die aus einem Hemd und verschieden farbigen Halstüchern bestand.
Der Grundstein des Pfadfindertums war gelegt.

Schnell verbreitete sich das Pfadfinden in England und so waren es ein Jahr später bereits etwa 60 000 Pfadfinder in England. Im September 1909 gab es ein erstes großes Treffen im Londoner Crystal Palace an dem etwa 10 000 Pfadfinder teilnahmen.
Hier waren auch erstmals Mädchen, die sich einfach “Girl Scouts” (Mädchen Pfadfinder) nannten.

“BiPi”, wie Baden-Powell auch genannt wird, hatte seine eigentliche Berufung gefunden und bat den König darum ihn aus der Armee zu pensionieren, um sich fortan um die Jugendlichen zu kümmern.
Aus dem General wurde eine Jugendführer. Mit 72 Jahren wurde BiPi durch den König zum Lord geadelt.
Fortan war er: Lord Baden-Powell of Gilwell.

Am 8. Januar 1941 starb er im Alter von 84 Jahren.
Auf seinem Grabstein ist ein Kreis mit einem Punkt in der Mitte eingemeißelt, das Waldläuferzeichen für “Habe meine Aufgabe erfüllt und bin nach Hause gegangen”.

Die neue Art der Jugendbewegung breitete sich rasend schnell über die ganze Welt aus.
Bald wurde sein Buch “Scouting for Boys” von Dr. Alexander Lion ins Deutsche übersetzt und auch hier zulande begeisterten sich die Jugendlichen für die Pfadfinderei.

Heute gibt es über 50 Millionen Pfadfinderinnen und Pfadfinder weltweit, die dein Grundgedanken BiPi’s weitertragen.